Gut lesbar steht über dem Eingang des Rathauses das Entstehungsjahr 1815. Dem ist nicht so. Vermutlich geschah die Fertigstellung erst 1817. Jedenfalls steckte das Projekt im Frühjahr 1816 noch in den Planungen. In drastischer Weise schilderten die Stadtoberen den Zustand ihres heruntergekommenen Rathauses mit dem Ziel, schnellstmöglich eine staatliche Genehmigung für den Neubau zu erwirken. Von einfallenden Gebäudeteilen und einstürzendem Dach war die Rede. Als Extravaganz wünschte man sich lediglich ein Türmchen für die Glocke der Rathausuhr von 1639. Als Stadt verfügte Münder über die niedrige Gerichtsbarkeit. Der Pranger als äußeres Zeichen dafür stand ungefähr dort, wo sich gegenwärtig der Söltjerbrunnen (siehe Objekt Söltjerbrunnen) befindet.
Im Erdgeschoss waren die Räumlichkeiten des Ratskellers und im Obergeschoss Saal und Hotelzimmer. Die wenigen Dienstzimmer der Stadtverwaltung lagen im rückwärtigen Teil des Bauwerks. Seit 1919 beanspruchte diese sämtliche Räume.
Die Existenz eines Rathauses ist für 1361 belegbar und es wird auch als Kophus (Kaufhaus) bezeichnet. Die Städte hatten im Mittelalter das Stapelrecht. Durchziehende Händler mussten den Bewohnern ihre Ware feilbieten und entsprechende Gebühren in die Stadtkasse abführen. Kophus und Rathaus bildeten häufig eine Einheit. Sicherlich hatte das Kophus nur wenige Räume zur Verfügung und vielfach waren es nur Verkaufsstände. Als man 1815/16 die Abbrucharbeiten des Rathauses durchführte, wurde ein reichverzierter Giebel mit der Jahreszahl 1611 entdeckt.
Der Ratskeller war ein besonders beliebter Treffpunkt von Organisationen. Dort trafen sich die Zünfte zu Versammlungen und Feiern. Aber auch Vereinsgründungen und Fahnenweihen gehörten zum „Standardprogramm“. Regelmäßig versammelten sich in der Gastwirtschaft die Mitglieder des Kriegervereins. Höhepunkte seiner Veranstaltungen waren der Sedantag – anlässlich des Sieges der deutschen über die französischen Truppen am 2. September 1870 – und die Geburtstage der deutschen Kaiser. Fortlaufend fanden auch Konzerte, Theateraufführungen und weitere kulturelle Veranstaltungen statt.
Gelegentlich wurden in der Gaststätte auch konträre Meinungen lautstark geäußert. So ist überliefert, dass sich 1878 zwei Zigarrenarbeiter – aus Verden und Lüchow stammend – über soziale Missstände beklagten und sogar die Monarchie beschimpften. Sie meinten, dass sich die kaiserliche Gesellschaft gegen die Meinung des sozialdemokratischen Volkswillens stellt. Im Übrigen: Im Jahr 1878 wurde das Sozialistengesetz erlassen. Es verbot den sozialistischen und sozialdemokratischen Organisationen jedwede Aktivitäten auf Reichsebene.