Kellerstraße 19 – Eine Dependance des Museums im Wettbergschen Adelshof
Die Mitglieder des Heimatbundes Bad Münder haben für die Restaurierung des Bürgerhauses (Ackerbürgerhauses Kellerstraße 19) den „Preis für Denkmalpflege der Niedersächsischen Sparkassenstiftung 2010“ erhalten.
Dieses Haus erbaute der Holzwärter H. C. Menking im Jahr 1752. Im 19. Jahrhundert war die Schuhmacherfamilie Kallmeyer im Besitz des Anwesens. Zum Zeitpunkt des Erwerbs durch den Heimatbund Niedersachsen befand es sich in einem denkbar schlechten Zustand und war abrissreif. Der Heimatbund machte es sich zur Aufgabe, den bauhistorischen Bestand nach Möglichkeit detailgetreu zu sichern. Dies betraf nicht nur das Hauptgebäude, sondern auch die Nebengebäude wie Schweinestall und Klohaus.
Nach jahrelanger aufwendiger Restaurierung ist es gelungen, die Lebenssituation der Acker-bürgerfamilie Kallmeyer um 1880 nachzustellen. Den Mittelpunkt des Hauses bildet die Diele, von der aus alle Räume zu erreichen sind. Über eine steile Stiege gelangt man in das Ober-geschoss, wo sich die Schlafkammern und Abstellräume befinden. Eine weitere Treppe führt zum Dachboden.
Die Zimmer sind entsprechend der damaligen Zeit bis hin zu Kleinigkeiten eingerichtet. Zahl-reiche stumme Zeugen der Vergangenheit lassen den Alltag nachvollziehbar erscheinen. Die Besucher können nachempfinden, wie gearbeitet und gewohnt wurde. An Aktionstagen zie-hen Rauchschwaden des Herdfeuers durch das Haus und es wird die Verarbeitung von ge-schlachteten Tieren gezeigt. Die Kallmeyers hielten neben Hühnern, ein Schwein und eine Kuh. Die Kuh war mit den Bewohnern unter einem Dach untergebracht – in einem „offe-nen“ Stall – lediglich durch eine Wand abgetrennt. Wegen des starken Geruchs hatte man im Hinterhof einen Schweinestall bestehend aus Fachwerk und zwei Boxen bestehend, des-gleichen ein Abort. Ein Ackerbürgerhaus in dem zeitgeschichtlichen Rahmen um 1880 mu-seal dargestellt, ist ein mustergültiges Projekt und in Niedersachsen einzigartig.
Betritt man die Diele, so ist rechts eine Schusterwerkstatt zu sehen. In deren Mitte befindet sich eine für die damalige Zeit typische Lichtquelle – umgeben von vier wassergefüllten Glaskugeln, die die Strahlen verteilen und somit den Arbeitsbereich besser ausleuchten: Die sogenannte Schusterkugel. Diese war eine praktische Erfindung vor der Einführung von elektrischen Lichtquellen. In Bad Münder wurden die Haushalte erst im 20. Jahrhundert an das Stromnetz angeschlossen.
Die Einnahmen des Schusters aus seinem Handwerk genügten nicht zur Versorgung der Familie. Im Nebenerwerb, der typisch für Ackerbürger war, musste Landwirtschaft betrieben werden. Zum Anwesen gehörten über sechs Morgen – gut 16000 m² – Nutzfläche. Die ein-gefahrene Ernte wurde auf dem Dachboden gelagert und diente der Versorgung von Mensch und Tier. Das Gebäude verfügt über eine Küche, die mit interessanten Utensilien aus der Zeit um 1880 ausgestattet ist und über eine Rauchküche. Seinerzeit musste das Wasser noch aus Brunnen geholt werden.
In einer Schlafstube steht unter dem Bett ein Nachttopf und erinnert daran, dass sich die Aborte außerhalb der Häuser befanden. Das Klohaus stammt aus dem Jahr 1848 und gehör-te zur damaligen Zeit nicht zum Standard. Bis weit ins 19. Jahrhundert war gang und gäbe, das „Geschäft“ im Stall oder auf dem Mist zu erledigen. Toiletten innerhalb des Wohnbereiches waren lediglich in Adels- und Bürgerhaushalten oder bei Großbauern üblich.
Das Ackerbürgerhaus in der Kellerstraße birgt viele zeitgeschichtliche Besonderheiten, die man bei einem Besuch entdecken kann.